GARTEN UMGRABEN
Heute Morgen gibt es weder Sonne noch Wolken. Es gibt nichts als Nebel. Im Vorgarten stehen viele Zierpflanzen. Jetzt sind sie noch grün, außer ein paar Moosrosen, die dunkelviolett sind. Gestern war es sonnig und warm. Ihre Blüten waren in leuchtendem Lila. Heute Morgen stehen sie sanftmütig, still und demütig. Sie kauern sich an einem kühlen Tag, der ohne Sonne, ohne Wind und Wolken ist.
Um den Vorgarten neu zu gestalten, kommt heute Morgen ein Gärtner beim Sunyata-Zentrum vorbei. Der Vorgarten ist seit Jahren ungepflegt. Es wachsen überall die Unkräuter mit den kleinen, leuchtend gelben Blüten, die in dieser Gegend sehr verbreitet sind.
Der Gärtner fing an, das Unkraut mit einer Hacke zu jäten. Ihre Wurzeln waren nicht tief in der Erde, sie verteilten sich nur auf der Oberfläche, so dass er sie leicht mit der Hacke entfernen konnte. Er sammelte sie alle auf verschiedenen kleinen Haufen, schaufelte sie dann in eine Schubkarre, fuhr sie an eine andere Stelle des Hofes, eine unbebaute Ecke in der Nähe des Zauns und lagerte sie dort ab. Dann kehrte er zurück in den Vorgärten, schüttelte einen Sack Blumenerde auf die Stelle, die er vorher sauber gemacht hatte und er verteilte die Erde gleichmäßig auf dem Boden.
Als ich ihm heute Morgen bei der Arbeit zusah, merkte ich, dass unser Kultivierungsprozess seinem Arbeitsablauf ähnelt. Unser Kultivierungsprozess hat 3 Schritte: Zuhören – Nachdenken – Praktizieren. Sein Arbeitsablauf hat auch 3 Schritte: Zuhören, Planen und Umsetzen.
Ich habe eine junge Zen-Schülerin, Nhu Truc, die ein paar Tage frei hatte und hier her gekommen ist um zu üben, beauftragt, die Kommunikation mit dem Gärtner zu betreuen, da er nur Englisch spricht. Seine Aufgabe ist es, den Gartenboden zu roden, unfruchtbare Erde durch fruchtbare Erde auszutauschen. Würde er die Aufgabe verstehen, würde er den ersten Schritt: Zuhören erledigen. Außer das Unkraut zu entfernen, muss er noch einen großen Baumstumpf, der Zentimeter aus dem Boden ragt, ausgraben. Der Boden ist so trocken. Er besteht aus viel Sand und Kies. Vielleicht hat das Regenwasser, obwohl es in Cali sehr wenig Regen gibt, die Fruchtbarkeit des Bodens nach und nach weggespült. In diesem Jahr regnet es in Cali vergleichsweise mehr als die anderen Jahre. Der Boden scheint etwas weicher zu sein, aber die Oberfläche besteht nur noch aus Sand und Kies.
Der Zen-Patriarch Baizhang (zh. bǎizhàng huáihǎi 百丈懷海, ja. hyakujō ekai) hat gesagt: “Tâm địa nhược không, tuệ nhật tự chiếu” (wenn der Geist leer wäre, würde das Licht der Weisheit automatisch erhellen). So praktizieren wir: wir reinigen unseren Geist, um die Bodhi-Samen zu säen.
Wie reinigen wir unseren Geist? Welcher Gedanke ist nicht richtig? Um es festzustellen, müssen wir Buddhas Lehrreden studieren. Falls wir seine Lehrreden nicht verstehen, müssen wir einen Meister aufsuchen. Also ein Meister ist hier unverzichtbar, daher hat Buddha damals seine Schüler ermutigt, ein Sangha zu gründen. Der Meister erinnert uns meist einfach daran, das Objekt neutral zu betrachten. So wie wir das Objekt wahrnehmen, so ist unser wahrer Geist.
Wir beobachten die Welt objektiv, um nicht noch mehr schlechte Dinge von außen anzusammeln und den Geist nicht durch äußere Einflüsse noch mehr aufzurütteln.
Wir beobachten unseren wahren Geist, um böse Gedanken, Gier, Anhaftung, Hass und Eifersucht zu beseitigen, um wahrzunehmen, welche Gedanken böse sind und wir denken über die Folgen der bösen Gedanken, bösen Worte und bösen Taten nach, wie gefährlich es für uns selbst und für andere sein kann. Das schlechte Ergebnis betrifft uns aber zuerst. Hier ist die Aufgabe des Nachdenkens. Es wird unseren Geist Schritt für Schritt erhellen. Dieses ist der wichtigste, schwierigste und bitterste Schritt. Warum? Da wir immer denken, dass wir gut sind, dass wir Recht haben, dass wir besser als die andere Person sind, wir daher von anderen respektiert werden müssen usw. Hier hat der Buddha diese schlechten Eigenschaften damals mit einer praktischen Lebensweise beseitigt, in dem er seine Familie verließ, alleine in dem Wald lebte, auf Almosen ging, so werden das Ich-Ego, die Faulheit, die Arroganz, der Neid aus dem Geist entfernt. Genauso hat es der Gärtner heute Morgen gemacht, zuerst hat er das Unkraut und den Kies entfernt. Wie kann man denn einen schönen Garten anlegen, wenn zu viel Kies und Unkraut vorhanden sind?
Dieser Nachdenken-Schritt ist sehr wichtig. Der ist der Anfang des Suchens nach einer eigenen intellektuellen Schatztruhe, meine Freunde. Der erste Schritt sind Buddhas Lehrreden, die von einem Meister unterrichtet werden, zuzuhören. Es ist jedoch noch nicht unser Weisheitsschatz. Es ist noch der Weisheitsschatz des Meisters.
Wir fangen ab diesem Schritt schon an, das Unkraut im eigenen Geist zu jäten. Wir graben schon die Wurzeln von Gier, Wut und Unwissenheit im eigenen Geist aus, wir decken das Ich-Ego auf. Aber wann kennen wir uns richtig aus? Wenn wir uns selbst für unser Verhalten schämen, wenn wir unsere eigenen Fehler sehen. Wir finden keinen Fehler eines anderen mehr. Aus diesem Grund hat der Buddha folgende drei Weisheiten gelehrt: Durch Zuhören entsteht eine Weisheit, durch Nachdenken entsteht eine Weisheit und durch Übungen entsteht schließlich eine noch höhere Weisheit.
Der Gärtner hat nun einen Teil des Gartens gerodet und den Dünger gleichmäßig auf dieser Stelle verteilt. Er rodet dann eine andere Stelle im Vorgarten. In ein paar Monaten wird der Vorgarten viele frische, grüne Pflanzen wie der im Hinterhof haben. Nächstes Jahr können wir das 30. Jubiläumsjahr des Sunyata-Zentrums richtig feiern.
Wenn unser Geist weder das Unkraut, seine Wurzeln, noch den Kies mehr haben würde, dann könnten wir beliebige Geistblumen pflanzen, die wir wollen. Dies ist der letzte Schritt: Praktizieren. Wir können diesen Schritt auch in unserem alltäglichen Leben üben, damit der Boden unseres Geistes fruchtbar werden kann, damit wir die duftenden Blumen und süßen Früchte haben können, die wir der Welt anbieten können.
Das Sunyata-Zentrum ist ein Verdienst von Schweiß und Kräften vieler Meditierender aus der ganzen Welt. Es ist nichts anderes, als die fruchtbare Erde auf diesen Garten zu verteilen, also ist es ein Feld des Segens, auf dem wir Bodhi-Samen säen können. Ebenso ist das Land unseres Geistes, es kann klein sein, es kann aber auch riesig, unendlich groß sein. Wir haben uns seit langer Zeit nicht mehr um ihn gekümmert, so dass er viel Unkraut hat und sehr trocken ist. Jetzt müssen wir ihn fruchtbar machen. Im Mahà-assapura Sutra hat der Buddha gelehrt: „Körper und Geist rein und makellos zu halten… Tag und Nacht müssen wir wachsam sein, damit keinen bösen Gedanken in unserem Geist entstehen können und es ist wichtig, dass wir folgende Hindernisse (S, P: nīvaraṇa) besiegen müssen:
1. Gier (s: abhidyā),
2. Hass (s: pra-dośa),
3. Schläfrigkeit (s: middha, styā-na),
4.zu sehr Unruhe und Sorge (s: kaukrītya, anu-ddhatya),
5. Zweifel, Skepsis (s: vicikitsā).
Wenn wir bis hierher angekommen sind, dann haben wir alles Leid überwunden.
Als ich heute Nachmittag den Vorgarten des Sunyata-Zentrums betrachtete, der mit schwarzer und fruchtbarer Erde bedeckt wurde, fühlte ich mich glücklich. Liebe Freunde, wenn der Geist unbedeckt ist, strahlt das Weisheitslicht von selbst aus!
Sunyata Zentrum, den 25-4-2024
TN
https://tanhkhong.org/p105a4178/triet-nhu-tieng-hat-giua-troi-bai-54-dao-boi-ruong-phuoc