DIE KUNST DES LEBENS
Wenn man den Titel dieses Artikels liest, denkt man vielleicht, dass er zu hochtrabend, umfassend und unrealistisch ist. Es stimmt, man kann dieses Thema nicht auf wenigen Seiten darstellen. Ein Leitfaden für die Lebensweise eines Bodhisattvas würde allein schon ein ganzes Buch füllen, geschweige denn hier „Die Kunst des Lebens“ zu schreiben. Deshalb möchte ich mich heute nur auf „Die vier Grundlagen der Sympathie“ (catursaṃgrahavastu) aus buddhistischer Sichtweise beschränken und wie wir sie in unserem alltäglichen Leben umsetzen können.
In vielen buddhistischen Werken wurde dieses Verhalten als die Lebenskunst eines Bodhisattvas betrachtet. Wir können sie jedoch auch als eine geeignete Übungsmethode für uns übernehmen, die das Ziel hat, ein harmonisches Leben zwischen Familie und Gesellschaft zu erreichen.
Wir haben erkannt, dass das „ich, Selbst“ der Haupttäter für den Konflikt und das Leid in unserem Leben ist. Solange es ein „ich, Selbst“ gibt, gibt es noch eine subjektive Wahrnehmung. Diese Wahrnehmung ist verzerrt, parteiisch, egoistisch, gierig, wütend, was zu unvermeidlichen Konflikten und Leiden führt.
In einer erwachten Sichtweise wissen wir, dass das „ich, Selbst“ nicht etwas Reales, Stabiles oder Existierendes ist. Das „ich, Selbst“ ist also ein Phänomen wie alle anderen weltlichen Phänomene. Das heißt, da das „ich, Selbst“ aus zahllosen Bedingungen geboren wird, ist es also unbeständig. Es unterliegt ebenfalls der bedingten Entstehung. Nach einer Veränderung oder einer Löschung wird es zum „Nicht-Selbst“ werden. Wenn es ein „Selbst“ gibt, gibt es ein „Nicht-Selbst“ und wenn es kein „Selbst“ gibt, gibt es auch kein „Nicht-Selbst“. Dies ist „Atakkāvacara“: Ein Platz jenseits der Sprache, jenseits der Überlegung.
Die erste Grundlage der Sympathie ist Almosengeben, {Dadāna (S), Dānaṁ (P)}. Dies lehrt, dass wir je nach unserem Güterbesitz und je nach den Bedürfnissen eines anderen geben sollen. Hier ist ein guter und gesunder Gedanke, welcher realisiert werden soll, um den Mitmenschen zu helfen.
Überall und gleichermaßen Almosen geben, neutrale, unparteiische, unvoreingenommene und gleiche Haltung gegenüber alle Wesen. Derjenige, der Almosen gibt, hat die geistige Tür geöffnet, um alle, günstige sowie ungünstige Lebensumstände aufzunehmen. Vorsichtig, hier ist „die geistige Tür“ und nicht „seine geistige Tür“ gemeint.
Ab diesem Punkt gibt es kein „Privileg“ mehr. Ist „Almosengeben“ also ein Weg, der zum „Glück“ führt?
Der Zen-Weg erfordert, dass wir die „Kunst des Almosengebens“ kognitiv erkennen müssen. Ansonsten gehört das „Almosengeben“ nur zu einer Wohltätigkeit, die unter den bedingten und unbedingten Dharmas ein gutes Karma hervorruft.
Allgemein kann man sagen, dass eine Handlung die Güte eines Geisteszustandes trägt, in dem wir die Handlung ausführen. Zum Beispiel: wir spenden etwas an eine Wohltätigkeitsorganisation mit dem Ziel, dass diese Organisation unseren Namen veröffentlicht, damit wir bekannt sind oder um Steuern abzusetzen, erwarten wir eine Spendenquittung von dieser Organisation usw...Wenn die Sache jedoch nicht läuft, wie wir uns vorgestellt haben, sind wir frustriert und verzweifelt und wir erzeugen dann im Gegensatz zu der eigentlich guten Tat ein negatives Karma (Gedanken- und Handlungskarma).
Deshalb erfordert das Almosengeben auch eine kognitive Erkenntnis, um es ausüben zu können. Das Almosengeben symbolisiert einen edlen Geist, der folgende vier Aspekte hat: Liebe, Mitgefühl, Ausgewogenheit und Gleichmut und die Grundlage eines Geistesaspektes ist: Nicht diskriminierende Weisheit {Nirvikalpajnana (skt)} oder die unverfälschte Wahrnehmung der Gleichheit {Samatajnana (skt)}. Es ist quasi „Nicht-Selbst“.
Die zweite Grundlage der Sympathie ist die „liebevolle Rede“ {Priyavāditā (s)}.
Wer die Zuflucht zu Buddha genommen hat, der kennt das vierte Gelübde „nicht lügen“ {Micchāvāca (P), Mithyāvacā (S)}. Im Realleben gibt es jedoch einige Dinge, die getan werden dürfen und einige Dinge, die nicht getan werden sollen, zum Beispiel:
- Wahrheiten, die das Gegenüber traurig machen, sollen wir nicht sagen und
- Rede nur wenn es nötig ist.
- Rede nur mit Personen, die zuhören wollen.
- Rede nur über etwas Nützliches. Keine schlecht Rede oder Gespräche über lustige oder nutzlose Dinge.
- Verwende höfliche, nette und aufrichtige Worte usw.
Der Buddha lehrte seine Schüler, wenn sie sich versammelten, nur über eine Sache zu diskutierten: Wie kann man das Leid beenden? Rede über andere Dinge ist nutzlos und verstößt gegen die Verhaltensregel eines Mönchslebens. Man soll stattdessen schweigen. Das Schweigen eines Heiligen.
„Mönche, erzählt keine Geschichten über Tierwelt, Geschichten über Könige, Geschichten über Diebe, Geschichten über Minister, Geschichten über Soldaten, Geschichten über Schrecken, Geschichten über den Krieg, Geschichten über Essen, Geschichten über Getränke, Geschichten über Stoffe, Geschichten über Betten, Geschichten über Kränze, Geschichten über Gewürze, Geschichten über Verwandte, Geschichten über Kutschen, Geschichten über Dörfer, Geschichten über Städte, Geschichten über Länder, Geschichten über Frauen, Geschichten über Männer, Geschichten über Helden, klatschen am Straßenrand, klatschen an der Wasserstelle, Geschichten über Tote, Geschichten von den Kaffeegesprächen, Geschichten über die Änderung der Welt, Geschichten über die Änderung des Meeres, Geschichten über Existenz und Nichtexistenz eines Phänomens. Warum?
Diese Geschichten, Mönche, führen nicht zu unserem Ziel, sind nicht die Grundlage für ein Brahma-Leben. Sie führen nicht zur Entsagung, zur Leidenschaftslosigkeit, zur Beendigung eines Leidens, zur spirituellen Weisheit, zur Erleuchtung, zum Nirvana.
Wenn ihr redet, Mönche, redet nur über „Das Leid“ und „den Pfad der Ausübung“, der zur Beendigung dieses Leidens führt....
Saṃyutta-Nikāya, V. Kapitel, Seite 609. (S.V. 149)
Die dritte Grundlage der Sympathie ist die Nützlichkeit {Arthacaryā (s)}. Ein nützliches Leben für uns und für andere durchführen. Je nachdem, inwiefern es nützlich ist und je nachdem, was wir anbieten können.
Die vierte Grundlage der Sympathie ist der Zusammenhalt. Leben und arbeiten für- und miteinander in der Gemeinschaft. keinen Abstand halten zwischen sich und den anderen, zwischen sich und der Gesellschaft. Kein isoliertes oder kontaktloses Leben durchführen. Wenn einer sich von der Gesellschaft distanziert, er keinen Kontakt mehr zu den anderen pflegt oder nicht mehr freundlich und offen ist, dann kann es sein, dass er entweder „selbstabwertend“ oder „hochnäsig“ ist. Diese beiden Lebensweisen symbolisieren das „ich, Selbst“. Diese isolierende Lebensweise ist kein ideales Leben für jemanden, der dem Pfad der Kultivierung folgt, egal ob er den Arhat-Pfad oder den Bodhisattva-Pfad aussucht.
Früher haben sowohl der Buddha als auch die anderen Arhats ihre Praxis so begonnen, dass sie zuerst Mönche wurden. Dann gingen sie auf die hohen Berge oder in die tiefen, wilden Wälder hinein, um dort zu praktizieren. Nachdem sie die Erleuchtung erlangt hatten, kehrten sie zurück zu der Gesellschaft, um die Lehre des Buddhas zu verbreiten.
„Alles loslassen
Der Geist ist unbeweglich
Wie eine Mauer
Das ist der Weg“
(So hat der Patriarch Bodhidharma seinen Schüler Huike gelehrt).
Sobald man die Erleuchtung erlangt, soll man zurück in die Gesellschaft kehren, um anderen Lebewesen Sattva oder Bahujanya (skt) zu helfen. Das ist der Sinn der „Nützlichkeit“ und des „Zusammenhaltens“. Das ist das Leben eines Bodhisattvas: ein Mensch mit einem starken Willen und voller Entschlossenheit, der die Weisheit wie ein Erleuchteter hat.
Leben mit den vier Aspekten: Großzügigkeit, liebevolle Rede, Nutzen und Zusammenhalt ist eine anspruchsvolle Kunst, da man zwar mit der Gesellschaft im Einklang lebt, sich aber nicht von dem Lebensumfeld beirren lässt.
Heute habe ich euch aus der Sicht des Buddhismus ein edleres Leben vorgestellt, das für uns und für alle andere Lebewesen nützlich ist.
Meditationshalle, den 08-08-2021
TN
Link zum vietnamesischen Artikel: https://tanhkhong.org/p1106a2603/triet-nhu-snhp022-nghe-thuat-song